Dienstag, 28. April 2009

Nichtstun lässt das Gehirn schrumpfen

Vernachlässigt ein Mensch bestimmte Fähigkeiten, schrumpft die Repräsentation dieser Fähigkeiten im Kortex. Benutzt zum Beispiel ein Patient seine Hand wegen eines Gipsarms weniger, verkleinert sich die Repräsentation im Gehirn und der Tastsinn lässt messbar nach. Das berichtet eine Arbeitsgruppe um Martin Tegenthoff von der Neurologischen Klinik Bergmannsheil und Hubert Dinse vom Institut für Neuroinformatik, beide Bochum, in der Zeitschrift Current Biology (doi:10.1016/j.cub.2009.03.065).

Aus der Untersuchung von Profi-Musikern und erfahrenen Blindenschrift- Lesern ist bekannt, dass häufiger und intensiver Gebrauch der Hände zur Entwicklung außergewöhnlicher sensomotorischer Fähigkeiten führt. Auch die Repräsentation der Hände im Gehirn vergrößert sich durch das Training. Allerdings funktioniert dieser Prozess auch umgekehrt, wie die neurowissenschaftliche Bochumer Arbeitsgruppe festgestellt hat.

Um herauszufinden, wie sich ein vorübergehender Nichtgebrauch der Hände auf das Gehirn und die Verhaltensleistungen auswirkt, untersuchten die Forscher eine Reihe von Patienten, die aufgrund eines Unfalls über mehrere Wochen hinweg einen Gips an Arm und Hand tragen mussten und die betroffene Hand im Alltagsgeschehen kaum benutzten.

Das jeweilige Ausmaß der Benutzung von gesunder und betroffener Hand wurde durch Sensoren aufgezeichnet. Die Forscher maßen dann die Auswirkungen der Bewegungseinschränkungen zum einen auf die Organisation der Hand-Repräsentation im Gehirn und zum anderen auf den Tastsinn: Die Versuchspersonen sollten unterschiedlich eng beieinander stehende Nadelspitzen durch Ertasten mit dem Zeigefinger unterscheiden.

In Abhängigkeit vom räumlichen Abstand werden beide Spitzen getrennt oder bei zu geringem Abstand nur noch als eine einzelne Spitze wahrgenommen. Der Abstand, bei dem gerade noch zwei getrennte Spitzen wahrgenommen werden, ist ein Maß für die Güte des Tastsinns. Beide Messungen nahmen sie zweimal vor, das erste Mal zwei bis drei Wochen nachdem der Gips angelegt worden war, das zweite Mal zwei bis drei Wochen nach Gipsabnahme.

Durch den Einsatz funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) konnten die Wissenschaftler nach eigenen Angaben zeigen, dass eine Stimulation des Zeigefingers der betroffenen Hand eine wesentlich geringere Aktivität im entsprechenden Hirnbereich (somatosensorischer Kortex) auslöste als die Stimulation des Zeigefinger der gesunden Hand. Ebenso war der Tastsinn der betroffenen Hand im Vergleich zur gesunden Hand und zur Leistung gesunder Kontrollpersonen stark beeinträchtigt.

Zwei bis drei Wochen nach der Gipsabnahme war von diesen Beeinträchtigungen nichts mehr festzustellen: Die Hirn-Repräsentation der ehemals betroffenen Hand unterschied sich nicht mehr von der gesunden Hand, und der Tastsinn verbesserte sich wieder auf das Niveau der gesunden Hand beziehungsweise der Leistung gesunder Kontrollpersonen. © hil/aerzteblatt.de

aus www.aerzteblatt.de

Keine Kommentare: