Samstag, 8. März 2008

Molekulare Bildgebung - Entwicklungen der letzten 10 Jahre

Wien am Samstag 8. März 2008 (ECR) –

Molekulare Bildgebung ist ein unglaublich dynamisches Feld, es verspricht fantastische Fortschritte bei der Entdeckung und Behandlung zahlreicher Krankheiten inklusive Krebs, neurodegenerativer Erkrankungen und kardiovaskulärer Pathologien, insbesondere Atherosklerose, der Hauptursache für Herzinfarkte. Die Forschung betreffend Zelltherapien in der regenerativen Medizin hat sich schnell weiter entwickelt.

Auch wenn es noch ein paar Jahre bedarf bevor die Technik auch klinisch anwendbar sein wird, vor allem auch wegen der Entwicklungs- und Genehmigungsverfahren betreffend Marker, sollten Radiologen ihr Interesse in anderen Disziplinen verstärken, um die Forschung noch weiter voranzutreiben.

Dank der letzten Entwicklungen bei der molekularen Bildgebung (MI) wird das Aufspüren von Molekülen und Zellen im menschlichen Körper, um eine Krankheit in ihrem Anfangsstadium zu erkennen, oder zu bestimmen, wie Medikamente auf ein bestimmtes Organ oder System wirken, bald möglich sein. Aber wann?

Wie weit hat sich die MI-Forschung wirklich seit ihren ersten Schritten vor 10 Jahren entwickelt? Ziemlich weit im Bereich Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und
Zelltherapien in der regenerativen Forschung, laut zwölf Wissenschaftern, die den Stand der Dinge bei der MI auf dem Europäischen Radiologenkongress (ECR) präsentieren, der derzeit in Wien stattfindet.


Dynamische Forschung

Molekulare Bildgebung ist die Darstellung von molekularen Stoffwechselwegen in lebenden Organismen ohne invasive Verfahren. Spezielle sogenannte molecular probes werden zur Erkennung verschiedener Zielobjekte oder molekularer Wege entwickelt. Sie bestehen aus einem spezifischen, biologisch aktiven Element, das verbunden mit Kontrastmitteln, erlaubt, diese durch spezielle Abbildungsmethoden zu erkennen (fluoreszierend, MRT, Nuklearmedizin).

Die Fähigkeit, sehr feine molekulare Veränderungen zu beobachten, eröffnet eine Vielzahl von medizinischen Anwendungsmöglichkeiten inklusive der Früherkennung und Therapie von Erkrankungen sowie auch für die pharmazeutische Grundlagenforschung. Diese vielversprechenden Aussichten haben Forschungsaktivitäten auf diesem Gebiet gefördert.

Spezialisten sagen voraus, dass auf MI basierende Krebsforschung sehr rasch voranschreitet und innerhalb der nächsten 5 Jahre das klinische Stadium erreicht werden kann.

Zelltherapien in der regenerativen Medizin könnten ebenfalls bald verfügbar sein, da die klinischen Studien in der zellularen Bildgebung bereits von einem Team in Europa durchgeführt wurden.

„Das könnte durchaus innerhalb der nächsten 3 oder 4 Jahre erfolgen, speziell bei Diabetes mit transplantierten Pankreaszellen“, sagte Prof. Olivier Clément, Radiologe des Hôpital européen Georges Pompidou in Paris, Frankreich, voraus.


Vielversprechendes Potential bei Atherosklerose

Ein anderes Gebiet, in dem MI-Forschung weit fortgeschritten ist, ist die Erkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, der Nummer Eins der Todesursachen weltweit. Speziell die Beobachtung von atherosklerosen Plaques steht hier im Blickpunkt.

Atherosklerose ist eine chronisch entzündliche vaskuläre Erkrankung. Sie beeinträchtigt arterielle Blutgefäße und ist die häufigste Ursache für Schlaganfälle, Herzinfarkte und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

„Bei einem derartigen Entzündungsprozess sind viele Zell- und molekulare Vorgänge in jeder Phase des Verlaufs der Atherosklerose involviert, von der frühen krankhaften Bildung von Fettablagerungen bis hin zur aufbruchgefährdeten Plaque“, erklärte Prof. Emmanuelle Canet-Soulas, Physiologin an der Universität von Lyon 1, Frankreich.

Atherosklerose Plaquemoleküle werden derzeit am besten unter Verwendung von zwei Substanzen, beispielsweise einer Kombination aus Magentresonanztomographie (MRT)- oder Ultraschall (US)-Kontrastmittel, mit einem radioaktiven Tracer aufgespürt. Sie können auch durch MRT, US oder durch andere optische oder radioaktive Methoden aufgespürt werden; eine Kombination, die beides bietet, nämlich exakte Lokalisierung und hohe Sensibiliät.

Jedenfalls wird keine Option vernachlässigt, bekräftigte Canet-Soulas. „Molekulare Bildgebung ist hybrid; man kann sie grundsätzlich mit Allem kombinieren, keine Möglichkeit sollte ausgeschlossen werden.“

Bei Atherosklerose ist es von großer Bedeutung zu wissen, wie weit die Krankheit fortgeschritten ist und ob eine spezielle Stelle kurz vor dem Aufbruch steht. In dieser Situation würde man beispielsweise einen radioaktiven Tracer für ein SPECT- oder PET-Verfahren verwenden in Kombination mit einem hochauflösenden CT-Scan, für eine präzise Lokalisierung.

Anderseits erlaubt MRT die Darstellung von feinen anatomischen Details mit hohem natürlichem Kontrast. Der Entwicklung einer neuen MRT Substanz für MI ist jedoch ein langer Prozess. Dasselbe gilt für US und CT.

Optical probes sind in der Molekularbiologie wohl bekannt, aber ihre in-vivo Anwendung und ihre Übertragung auf klinische Studien ist überaus komplex, sagte Canet-Soulas. „Radioaktive Probes sind sicherlich weiter fortgeschritten als alle anderen Methoden für klinische Anwendungen, aber nukleare Bildgebung liefert weniger morphologische Details als andere“, fügte sie hinzu.

So werden im vorklinischen Stadium hybride MI-Substanzen bevorzugt, die zumindest mit zwei Bildgebungstechniken dargestellt werden können. Für die klinischen Anwendungen muss hingegen auch die schnelle Weiterentwicklung in der Scanner-Technologie (Hardware und Software) berücksichtigt werden.


Marker: ein langer Weg vom Labor zum Markt

MRT-, Jod- und Ultraschallkontrastmittel bieten für MI ein großes Potential. „Aber in diesem Feld sind wir noch in der vorklinischen Stufe, weil diese potentiellen neuen Marker noch für die klinische Verwendung genehmigt werden müssen“, führte Canet-Soulas aus.

Wie jedes andere Arzneimittel muss auch ein Marker alle vorklinischen und klinischen Schritte durchlaufen, um die Genehmigung zu erhalten. Deshalb muss er an gezielt ausgewählten Patientengruppen getestet werden, bevor er auf den Markt gebracht wird, ein Prozess, der in der Regel Jahre dauert. Allerdings kann bei MI Markern selbst die Auswahl von Patientengruppen schwierig sein.

„Für kardiovaskuläre Anwendungen kann ich mir die Genehmigung eines MI-Kontrastmittels nicht vor Ablauf von 5-10 Jahren vorstellen“, fasste Canet-Soulas zusammen, die in vorklinischen Tests mit Mäusen arbeitet. MI wird eine Schlüsselrolle in der personalisierten Medizin und bei der Entdeckung von Arzneimitteln spielen, um die Lücke zwischen vorklinischer und klinischer Evaluierung von potentiellen Substanzen zu schließen.

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor liegt in den unbekannten Auswirkungen mancher Kontrastmittel auf die Gesundheit.

Im Jänner 2006 zeigte eine Studie, dass die Verwendung von Gadoliniumkontrastmitteln ein Risiko für nephrogene systemische Fibrose (NSF) birgt, eine potentiell tödliche Krankheit bei Patienten mit Nierenerkrankungen im Endstadium (ESRD).

„MRT-Kontrastmittel werden als sehr sicher eingestuft; zahlreiche Tests wurden bereits an Kleintieren durchgeführt. Das ist aber natürlich keine Garantie, dass nicht unerwartete Nebenwirkungen im Laufe des Post-Marketings auftreten”, kommentierte Clément.


Kooperation: die Essenz der molekularen Bildgebung

Entgegen ihrem Namen gehört die molekulare Bildgebung nicht zur Radiologie. Radiologen, aber auch Biologen, Physiologen, Onkologen, Medizintechniker und Nuklearmediziner – um nur einige zu nennen – arbeiten in diesem Feld, was zeigt, dass es mit vielen Fachgebieten verknüpft ist.

„Tatsächlich gehört es nirgends dazu“, betonte Clément. Folglich ist die Zusammenarbeit zwischen Partnerdisziplinen absolut notwendig für Fortschritte in der Forschung. Organisationen wie das European Institute for Biomedical Imaging Research (EIBIR), das Physiker und Radiologen zusammenbringt, spielen eine Schlüsselrolle auf diesem Gebiet.

„Aber Radiologen selbst sollten ihre Interessen auch in Partnerdisziplinen wie Biologie und Immunologie ausweiten, um sich ihren Platz in der MI-Entwicklung zu sichern“, sagte Clément.

Der Europäische Radiologenkongress (European Congress of Radiology, ECR) ist der jährlich stattfindende Kongress der Europäischen Gesellschaft für Radiologie (European Society of Radiology, ESR). Mit über 17,000 Teilnehmern aus mehr als 100 Ländern und rund 1,700 wissenschaftlichen Vorträgen ist der ECR die größte Radiologieveranstaltung in Europa.


- Mélisande ROUGER, European Society of Radiology - ESR-

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