"Ich habe eine Lunge weg, bin außer Atem, aber mir geht's echt gut"
Der Theater- und Filmemacher Christoph Schlingensief, 48, kämpft gegen den Krebs und arbeitet weiter. Mit dem SPIEGEL sprach er über Selbstmordgedanken, Kritik an seiner Kunst - und den Fluch, immer gute Laune verbreiten zu wollen.
Schlingensief: " Grundsätzlich gilt: Jeder Krebskranke darf für sich einen Weg finden. Wenn einer immer die gleiche Schallplatte spielen will bis zum Schluss, ist es okay. Wenn er Qigong oder Yoga machen will, auch. Schlimm ist nur, dass man bei all diesen Therapien und Ratschlägen nicht durchblickt. Dauernd denkt man, hättest du doch bloß dieses oder jenes auch noch gemacht.
Wichtig wäre, dass man den Krebskranken rausholt aus seiner Verzweiflung, aus dieser Vertrauenskrise.
Die Krankenhäuser sollten einem Helfer vermitteln, die mit einem die Angst besprechen und dir die Mechanismen der Angstbekämpfung erklären.
Stattdessen liest man sich fest in diesen Foren im Internet, von denen man sofort noch schlimmer krank wird. "
Zum Glück habe ich einen Arzt, der mich als Menschen sieht, der spricht offen und zart mit mir und nicht so amerikanisch nach dem Motto: "Ich kläre Sie jetzt mal beinhart auf. Sie sind am Ende!"
SPIEGEL: Sie haben angekündigt, dass Sie, wenn es so weit ist, zum Sterben nach Afrika gehen wollen. Warum dorthin?
Schlingensief: Nicht, weil ich mich dort besonders verankert fühle oder so etwas. Nur habe ich, seit ich vor fast 30 Jahren zum ersten Mal dorthin kam, das Gefühl, dass ich dort zur Ruhe komme. Das ist etwas Spirituelles. Aber so schnell sterben kann ich ohnehin nicht. Ich habe noch lange nicht abgeschlossen. Ich bin noch nicht mit mir im Reinen. Ich lass mich jetzt noch nicht fallen. Ich habe noch Kämpfe!
SPIEGEL: Herr Schlingensief, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Das Gespräch führten Anke Dürr und Wolfgang Höbel
Auszug aus dem Interview copyright Spiegel Online 19.12.2008
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen